Olga Nevska - Corporate Mobility und die Bedeutunng für die Verkehrswende

Unternehmensmobilität spielt für die Mobilitätswende eine wichtige Rolle. Olga Nevska verfolgt das Ziel, die gesamte Flotte der Telekom zu elektrifizieren und spricht im Interview über die Herausforderungen dieses Wandels sowie die eigene MaaS-App „goodride“.

Auch in ihrem privaten Leben nimmt die Mobilitätswende eine zentrale Rolle ein. Denn in der Rangfolge der von Olga Nevska meistgenutzten Verkehrsmittel steht der ÖPNV noch vor dem E-Auto und dem Fahrrad. Auf die Frage, auf welches Verkehrsmittel sie am ehesten im Alltag verzichten könnte, sagt sie: “Privat ist das der Scooter, der bei mir gegen das Fahrrad leider keine Chance hat. Beruflich verzichte ich in den meisten Fällen auf das Flugzeug, weil ich überwiegend innerhalb von Deutschland reise. Da macht fast immer die Bahn das Rennen.”  

Frau Nevska, die Telekom unterhält mit mehr als 20.000 Fahrzeugen einen der größten Fuhrparks in Deutschland. Sie haben sich bei der Telekom MobilitySolutions zum Ziel gesetzt, Ihren gesamten Fuhrpark von Verbrenner auf Elektro-Autos umzustellen und wollen dies sukzessive bis ins Jahr 2030 von der Dienstwagenflotte bis zur Servicewagenflotte geschafft haben. Welche unvorhergesehenen Hürden mussten Sie bislang in diesem Prozess überwinden? 

Wie bei jeder Einführung von neuen Technologien geht es auch hier zunächst darum, Menschen zu überzeugen, sich von alten Gewohnheiten zu verabschieden und neu zu denken. Bei der Dienstwagenflotte ist uns das durch gute Vorbereitung und das frühe Schaffen von Awareness bereits erfolgreich gelungen. Bei der Serviceflotte stehen wir immer noch vor technischen Herausforderungen, da noch nicht überall in Deutschland ein ausreichendes Ladenetz vorhanden ist. Unsere Techniker müssen jederzeit schnellstmöglich beim Kunden sein, vor allem im Störfall. Da können wir uns keine Wartezeiten erlauben und gehen deshalb Schritt für Schritt vor. Außerdem hat lange das Angebot am Markt nicht zu den technischen Anforderungen an unsere Servicefahrzeuge gepasst. Es geht aber auch hier mit großen Schritten voran.

Elektrifizierung ist einer der Hebel, um die (eigene) Mobilitätswende voranzubringen. Aber das ist immer noch stark auf das Auto zentriert. Mit welchen weiteren Maßnahmen treiben Sie als Unternehmen die Mobilitätswende voran?

Das ist absolut richtig! Wenn wir unsere Flotte auf Elektro umgestellt haben, werden wir immer noch im Stau stehen. Deswegen brauchen wir einen Paradigmenwechsel. Es geht nicht mehr nur um das Auto.

Entscheidend ist, dass wir Mitarbeitermobilität ganzheitlich betrachten und ALLE Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter im Blick haben. Das sind vor allem die zahlreichen Pendlerinnen und Pendler, von denen noch viel zu viele mit dem eigenen Auto zur Arbeit fahren. Deshalb haben wir in den letzten Jahren diversifiziert und ein vielfältiges Mobilitätsangebot entwickelt - zum Beispiel Shuttle- oder Carsharing-Services, attraktive Leasingfahrrad-Angebote oder die digitale Mobilitätsplattform goodride, die verschiedene Verkehrsmittel bündelt und in jeder Situation eine schnelle und einfache Mobilitätslösung anbietet. Genauso einfach wie das eigene Auto vor der Tür.

Außerdem überdenken wir unsere Arbeitsroutinen. Themen wie Business Travel spielen da eine Rolle - also weniger Geschäftsreisen, mehr virtuelle Meetings - oder Future Work im Sinne von Reduzierung der Reisezeiten durch flexible Arbeitszeiten und Home Office. 
Mobilitätsroutinen sind gelernt und fest im Alltagsverhalten verankert: Wie motivieren Sie die Mitarbeitenden, aktiv an der Mobilitätswende mitzuwirken?

Mobilitätsroutinen sind gelernt und fest im Alltagsverhalten verankert: Wie motivieren Sie die Mitarbeitenden, aktiv an der Mobilitätswende mitzuwirken? 

Das Thema Nachhaltigkeit steht bei der Deutschen Telekom ganz oben auf der Agenda, sogar unser CEO nimmt an unseren Mobility Events teil, wie neulich z.B. an der Einführung des neuen Telekom-Bikes. Die Awareness für die Transformation der Unternehmensmobilität ist also da. Das sieht man auch daran, dass es etliche selbstorganisierte Mitarbeiter-Initiativen gibt wie die so genannte Green Pioneers oder eine E-Driver Community.

Aber damit ist unser Job natürlich noch nicht getan. Erfolgsfaktor Nummer eins ist ein attraktives und diverses Angebot. Ein zweiter Hebel ist die Einfachheit: Wir digitalisieren den Zugang zu allen Funktionen und Prozessen rund um die Mobilität. Egal ob das Buchen einer Shuttle-Fahrt, das Finden einer Elektro-Ladestation oder das Leasen eines Fahrrads – alles funktioniert bei uns über Apps, auch von unterwegs aus. Hebel Nummer drei ist die Kommunikation. Wir reden über das, was wir tun, wir lassen unsere Kunden, also die Telekom-Mitarbeitenden, selbst zu Wort kommen und sogar unsere Vorstände gehen als Role Models mit gutem Beispiel voran und sprechen im Rahmen der Kampagne “I Ride Green” über ihre Mobilitätsgewohnheiten. Am Ende sind es aber auch klare Regeln, die zählen. Nach guter Vorbereitung müssen eben am Ende Entscheidungen getroffen werden wie zum Beispiel die Anpassung der Car Policy, die besagt, dass nur noch Elektrofahrzeuge bestellt werden dürfen. 

Mit goodride haben Sie eine MaaS-App entwickelt, die unterschiedliche Mobilitätsservices bündelt. In drei Sätzen: Welche Mission verfolgen Sie mit goodride?

Dazu brauche ich keine drei Sätze, das schaffe ich in drei Worten 😉:  
Mit goodride wird Mobilität bei uns simple, seamless und sustainable.

Wie unterscheidet sich goodride von anderen MaaS-Apps? 

Bei goodride steht der Mensch im Zentrum und die Vernetzung seiner Lebenswelten. Je nach Bedarf und Ziel bietet unsere Plattform immer die passende Mobilität – ohne Grenzen.  Andere MaaS-Apps in Deutschland werden von lokalen Verkehrsunternehmen oder Verbünden betrieben, deren Angebote an der jeweiligen Tarifgrenze enden. Das widerspricht aber den Mobilitätsbedürfnissen der Menschen, die sich mit ein- und derselben App überall bewegen wollen – also verbundübergreifend. goodride kann das. 

Wenn wir weiterdenken und die MaaS-App zum Standardbegleiter in der geteilten Mobilitätswelt geworden ist, dann werden neben der reinen Bewältigung einer Strecke von A nach B auch andere Mobilitätsanlässe berücksichtigt. Stichwort Familieneinkauf. Wir werden erleben, dass sich die Dienstleistungen in Handel, Gesundheit, Touristik etc. an die Besonderheiten geteilter Mobilität anpassen. Und dafür brauchen wir eine MaaS-App, die für ganz Deutschland die Integration bspw. einer Discounter-Kette übernimmt.

Sie nehmen mit der Telekom Mobility Solutions eine Pionierrolle hinsichtlich der unternehmerischen Mobilitätswende ein. Welche Rolle spielt Unternehmensmobilität generell für die Mobilitätswende? Und wo stehen wir hier in Deutschland?

Corporate Mobility ist der mit Abstand größte Treiber der Verkehrswende. Nirgendwo sonst wird so viel CO2-Ausstoß produziert wie auf dem Weg zur Arbeit. Auch die Vernetzung zwischen privatem und Berufsleben spielt hier eine Rolle. Deshalb tragen wir als Arbeitgeber eine besondere Verantwortung bei der Entscheidung, welche Mobilitätsoptionen wir unseren Mitarbeitenden bieten. Ich sehe es als unsere Aufgabe, durch das Schaffen von vielfältigen Angeboten und Anreizen den Umstieg auf geteilte Mobilitätsmittel positiv zu beeinflussen.

Wo wir in Deutschland stehen? Die Antwort auf diese Frage lesen Sie täglich in den Medien: Wir sind zu langsam, die Infrastruktur ist marode, der ÖPNV ist überlastet usw. Ich persönlich habe die Hoffnung noch nicht aufgegeben. Wenn alle an einem Strang ziehen und ihre Egoismen an den Nagel hängen, schafft Deutschland mehr als wir denken.

Was geben Sie Ihren Weggefährt:innen mit, die sich noch in diesem Prozess befinden? Bitte vervollständigen Sie den Satz: Damit die Mobilitätswende in einem Unternehmen gelingen kann, braucht es im Wesentlichen welche Faktoren? 

Wie bei jeder Transformation sind das die Faktoren 1) Mut zur Veränderung, 2) Umsetzungsstärke und 3) Konsequenz.

Die Zukunft der Mobilität ist ein vielschichtiges Thema. Welche Frage beschäftigt Sie diesbezüglich am stärksten? 

Warum fehlt uns in Deutschland immer noch eine gemeinsame Vision, welche Mobilität wir brauchen und ein Plan, wie wir da hinkommen?

Und wem würden Sie diese Frage stellen?   

Unserem Bundeskanzler Olaf Scholz.

 

Zur Person: Dr. Olga Nevska ist promovierte Wirtschafts- und Rechtswissenschaftlerin und seit 2019 Geschäftsführerin der Telekom MobilitySolutions. Dort verantwortet sie die Transformation einer der größten deutschen Unternehmensflotten zu einem innovativen Mobilitätsprovider. Bevor sie 2009 zur Deutschen Telekom kam, war sie für den Deutschen Bundestag, Roland Berger und Axel Springer tätig. Sie ist Mitglied des Board of Directors von T-Mobile Czech Republic sowie Beirätin und Gastdozentin an der Universität St. Gallen.